Kinderbücher von Fee Walden und Robinia Huth

Dein Glück liegt auf deinem eigenen Weg - ein spannendes Kinderbuch für Mädchen und Jungen von 8 bis 12 Jahren
Kinderbuch: Dein Glück liegt auf deinem eigenen Weg - 8 Geschichten für Mädchen und Jungen über Selbstbewusstsein, innere Stärke, Freundschaft, Herausforderungen und schöne Überraschungen

Leseprobe zu unserem Buch: Dein Glück liegt auf deinem eigenen Weg - 8 Geschichten für Mädchen und Jungen über Selbstbewusstsein, innere Stärke, Freundschaft, Herausforderungen und schöne Überraschungen

Lisa und der alte Höhlenbaum

(Fee Walden)

Lisa und der alte Höhlenbaum: Eine spannende Geschichte über ein mutiges Mädchen, das sich für die Natur stark macht und seinem Opa hilft

Lisa ist schon fast zehn Jahre alt und geht in die vierte Klasse. Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Nils in einem kleinen alten Haus am Rand einer sehr großen Stadt. Zum Haus gehört ein schöner Garten mit einem Rasen zum Spielen, Sträuchern, Büschen, Blumen und einem riesigen alten Baum. Der Baum ist so groß, dass seine Äste und Zweige zur Hälfte auch über den Nachbargarten ragen. Es gibt aber noch etwas Besonderes an dem Baum. Der Baum ist nämlich ein Höhlenbaum. Ganz oben im Stamm des schönen alten Baumes ist eine Baumhöhle, in der jedes Jahr Spechte wohnen und brüten. Es sind Buntspechte und Lisa liebt es, diese lustig gemusterten Vögel mit ihrem schwarz-weiß-roten Gefieder anzuschauen. Besonders spannend findet sie es jedes Jahr wieder, zu beobachten, wie die jungen Spechte ab und zu ihre Köpfe mit den roten Hauben aus der Höhle strecken, wenn sie von ihren Vogeleltern gefüttert werden. Und dann fliegen sie ja auch immer bald aus und sehen einfach nur niedlich und lustig aus.

[…]

So ist das Leben von Lisa und Nils doch eigentlich wunderschön. Bis jetzt war es das auch und ist es auch noch. Aber es gibt ein Problem, das immer näher rückt. Im Nachbarhaus wohnt ein sehr lieber, sehr alter Herr, den die Kinder und auch ihre Eltern Opa nennen. Auch Opas Garten ist sehr schön und natürlich, und schließlich ragt der große Baum mit den Spechten ja auch zur Hälfte über seinen Garten. Opa liebt diesen Baum genauso sehr wie Lisas Familie. Damit es dem Baum gutgeht, gibt es dort, wo der Baum steht, keinen Zaun mehr. Vielmehr sitzen Lisa, Nils und ihre Eltern zusammen mit Opa gern unter dem Baum und unterhalten sich. Aber Opa ist fast so alt wie der Baum. Denn Opa ist gerade 100 Jahre alt geworden. Und Opa macht sich Sorgen darüber, was aus seinem Haus und seinem Garten wird, wenn er mal nicht mehr lebt.

[…]

Opa sieht Lisas bekümmerten Gesichtsausdruck und sagt: „Lisa, ich habe nicht gesagt, dass ich jetzt sofort sterbe. Ich wollte nur sagen, dass es irgendwann passieren wird. Aber dann habe ich eine ganz andere große Sorge. Was wird aus meinem Garten und unserem Baum? Der Baum wächst inzwischen ja schon auf unseren beiden Grundstücken. Du weißt, ich habe noch einen Sohn. Der ist auch schon ziemlich alt, aber er wird das Haus später von mir erben. Mein Sohn besucht mich nie, wie du ja weißt. Aber weißt du auch, warum?“ Lisa schüttelt den Kopf: „Nein, das hast du mir noch nie erzählt.“ Opa erklärt: „Er findet mich komisch, weil ich mich so um die Natur kümmere und die Natur in meinem Garten in Frieden lasse, so, wie ihr das auch tut. Mein Sohn macht sich nichts aus der Natur und er tut auch nichts dafür. Im Gegenteil. [...]“

Lisa ist schockiert und sagt: „Aber Opa, das ist ja wirklich schlimm. Und wenn du irgendwann nicht mehr hier sein kannst, wird er hier wohnen und alles kaputtmachen, auch den Baum mit den Spechten?“ Opa schüttelt den Kopf: „Nein, Lisa, er wird ganz sicher nicht hier wohnen wollen. Er hat selbst ein großes Haus in einer anderen Stadt. Aber es kann schon sein, dass er mein schönes Haus einfach abreißt und auch den Garten kaputtmacht. Vielleicht will er sogar unseren Baum absägen, obwohl er das doch gar nicht darf. Der Baum ist doch schon so alt.“ Lisa ist eigentlich immer sehr zuversichtlich und lässt sich nicht leicht entmutigen. Sie glaubt immer an das Gute und daran, dass es siegt. Aber das ist ihr jetzt zu viel.

Traurig sagt sie: „Opa, das darf er nicht tun, nichts davon. Was sollen wir bloß machen, damit so etwas Schreckliches nicht passieren kann?“ Opa schüttelt verzweifelt den Kopf: „Lisa, ich zermartere mir schon lange den Kopf, wie ich das alles verhindern kann.“ [...] Lisa meint: „Opa, dann stirb doch einfach nie. Aber ich weiß ja, dass das nicht geht. Wir müssen unbedingt eine Idee haben, einen Plan!“ Lisa überlegt eine Weile. Opa fällt nichts ein. Dann hat Lisa einen Geistesblitz.

[…]

Freundschaft ist unbezahlbar

(Robinia Huth)

Freundschaft ist unbezahlbar: Eine einfühlsame Geschichte über Mobbing, Selbstvertrauen und Verzeihen

Alina ist acht Jahre alt und lebt mit ihren Eltern in einer kleinen Mietwohnung in einer Mehrfamilienhausanlage. Alinas Mama und Papa haben nämlich nicht viel Geld, obwohl sie viel und hart arbeiten. Alinas Papa arbeitet in einer Fabrik und ihre Mama ist Verkäuferin in einer Bäckerei. Beide müssen jeden Morgen mit dem Bus in die Nachbarstadt zur Arbeit fahren und kommen erst abends zurück. Trotzdem kümmern sie sich liebevoll um Alina und verbringen so viel Zeit wie möglich mit ihr. Die Wohnung hat nur zwei Zimmer, ein kleines Badezimmer, eine Küche und einen ganz kleinen Flur. Mama und Papa schlafen in dem kleineren Zimmer und Alina hat das größere Zimmer für sich allein. In der Küche ist genug Platz für einen Esstisch. So kann die kleine Familie dort zusammen essen und sich viel erzählen. Zum Spielen treffen sich die drei oft in Alinas Zimmer. Es ist eine wirklich harmonische Familie, in der sich alle sehr lieben.

[...]

Mama und Papa wissen, dass Alina nicht gern zur Schule geht. Aber was da genau los ist, wissen sie nicht. Alina hat ihnen nur erzählt, dass die anderen Kinder nicht nett zu ihr sind. Sie möchte nicht, dass ihre Eltern traurig sind, weil sie so wenig Geld haben. Sie würde gern mit ihrer Mama und ihrem Papa über die Gemeinheiten der anderen Kinder reden, aber sie sagt sich immer: „Es ist besser, wenn sie es nicht wissen. Sie sollen sich nicht schämen und nicht denken, dass sie schuld sind, dass ich geärgert werde. Sie sind ja nicht schuld. Wir haben doch ein schönes Leben und sie sind wirklich tolle Eltern. Und sie arbeiten so hart für das bisschen Geld. Sie können ja nichts dafür, dass die Kinder in meiner Klasse nicht verstehen, dass auch Menschen mit wenig Geld viel wert sind.“

[…]

Ein paar der anderen Kinder grinsen schon. Alina fühlt sich nicht gut. Sie möchte am liebsten unsichtbar sein. Frau Fröhlich schaut erst auf Alinas Namensschild und dann in ihr Gesicht. Freundlich sagt sie: „Und du, Alina, was hast du in den Ferien erlebt?“ Alina möchte am liebsten gar nichts sagen, aber irgendetwas muss sie ja ihrer Lehrerin antworten. Also atmet sie tief durch und sagt ehrlich: „Ich möchte bitte nichts erzählen, Frau Fröhlich.“ Einige Kinder lachen. Frau Fröhlich fragt verwundert: „Warum denn nicht?“ Doch noch bevor Alina antworten kann, ruft Felix in die Klasse: „Weil sie nichts erlebt hat!“ Jetzt lachen alle Kinder. Frau Fröhlich bleibt ruhig und erklärt lächelnd: „Man kann nicht nichts erleben.“ Zu Alina sagt sie: „Na los, erzähl. Du hast doch bestimmt etwas Schönes gemacht!“ Nun hört Alina sich tatsächlich sagen: „Ja, das habe ich.“ Auf einmal fühlt sie sich gut und stark. Und dann erzählt sie ihrer netten jungen Lehrerin, was sie mit ihren Eltern, mit Mandy und mit ihren anderen Freunden alles Schönes erlebt und unternommen hat.

Während Alina erzählt, sieht sie nur Frau Fröhlich an. Und die junge Frau hört begeistert zu. Beide merken nicht, wie die anderen Kinder sich spöttische Blicke zuwerfen. Als Alina mit dem Erzählen fertig ist, rufen alle im Chor: „Aaaarme Alina!“ Und dann lachen sie laut los. Alina wird sehr traurig und auch sehr wütend. „Wie konnte ich nur vor denen alles erzählen?“, schießt es ihr durch den Kopf. Auch Frau Fröhlich sieht auf einmal gar nicht mehr fröhlich aus. Ihre schönen blauen Augen blitzen zornig. Sie weiß, wie Alina sich jetzt fühlt. Sie hat es selbst erlebt, als sie noch ein Kind war.

[…]

Nach dem Mittagessen geht Alina runter auf den Spielplatz, um mit Mandy und den anderen Kindern aus der Nachbarschaft zu spielen. Heute hat sie keine Hausaufgaben. Was für ein Glück bei diesem herrlichen Wetter. Die Kinder toben herum und haben viel Spaß. Doch mitten im Spiel sagt Alina plötzlich: „Was will die denn hier?“ Mandy folgt Alinas Blick und sieht Patricia, die auf den Spielplatz kommt. „Hast du dich verlaufen? Nach Hollywood geht’s da lang!“, ruft Mandy wütend. „Bleib ruhig“, sagt Alina mit warnendem Blick zu ihrer Freundin und fügt an: „Nur, weil sie mich geärgert hat, müssen wir sie nicht ärgern.“ Zu Patricia sagt Alina in ruhigem Ton: „Hallo, Patricia. Was möchtest du?“

[…]

Lena wird wieder glücklich

(Fee Walden)

Lena wird wieder glücklich: Eine berührende Geschichte über Tierliebe, Mut und positiven Neuanfang

[…]

Lena lebt schon immer mit ihrer Mama allein. Ihren Vater kennt sie gar nicht. Der ist einfach abgehauen, als sie noch ein ganz kleines Baby war, und hat Mama und sie einfach im Stich gelassen. Mama und Lena reden nie über ihn. Lena will das auch gar nicht. Sie will von so einem Menschen nichts wissen. Für sie gibt es ihn einfach nicht. So schlimm ist das für Lena aber auch nicht, weil sie ja ihre geliebte Mama hat. Lena denkt oft: „Ich habe die beste Mama der Welt!“ Manchmal sehnt Lena sich trotzdem danach, wie die meisten anderen Kinder in ihrer Schule auch einen Papa zu haben. Aber ein neuer Papa ist nicht da. Geschwister hat Lena auch nicht. Doch dafür hat sie ja ihre tolle Freundin Candala. Aber der wirkliche Grund, warum Lena seit einiger Zeit überhaupt keinen Spaß mehr hat, ist ein ganz anderer.

[…]

Es ist nämlich so: Hinter der Wohnanlage, in der Lena und ihre Mama leben, ist eine schöne Naturwiese. Lena und ihre Mama haben da immer gern mit Wuffi gespielt. Eines Tages hat jemand, der keine Hunde mag, vergiftetes Fleisch auf die Wiese gelegt. Und da Wuffi sehr verfressen war, konnte er dem Fleisch nicht widerstehen. Bevor Lena und ihre Mama ihm das Fleisch wegnehmen konnten, hat er es leider gefressen. Es war zu spät für ihn. Der Tierarzt konnte Wuffi auch nicht mehr helfen. Lena war untröstlich. Auch ihre Mama hat sehr geweint. Wochenlang ging es Lena und ihrer Mama wirklich schlecht. Aber das war auch die Zeit, als Lena in die Schule gekommen ist und Candala kennengelernt hat. Die beiden Mädchen waren sofort ein Herz und eine Seele, als hätten sie sich schon immer gekannt. Candala kennt natürlich Lenas Geschichte und tröstet Lena, so gut sie es kann. Aber auch nach fast zwei Jahren vermisst Lena ihren Wuffi noch sehr. Da kann man nichts machen. So etwas braucht Zeit.

Candala wohnt mit ihrer Familie genau auf der anderen Seite der Wiese, wo Wuffi das Gift gefressen hat. Ein schöner Spazierweg führt durch die Wiese. Lena hat diesen Weg früher geliebt, aber seit Wuffi tot ist, will sie den Weg nicht mehr gehen. Dabei könnte sie bequem in fünf Minuten bei Candala sein, ohne an der gefährlichen Straße mit den vielen Autos entlangzugehen. Aber Lena geht immer an der Straße entlang, wenn sie Candala besucht. Sie will einfach nicht mehr über die Wiese gehen, wo das Schreckliche passiert ist. Mama macht sich oft Sorgen, wenn Lena zu Candala geht, denn der Bürgersteig an der Straße ist wirklich schmal. Auch Candala macht sich Sorgen. Sie selbst nimmt den Weg durch die Wiese, wenn sie Lena besucht oder sie zur Schule abholt. Aber Lena hat sich vorgenommen, nie wieder über diese Wiese zu gehen.

Weil Mama ja im Tierheim arbeitet, hat sie Lena natürlich in letzter Zeit auch schon oft von den armen Hunden dort erzählt, die dringend ein Zuhause suchen. Mama findet, dass man doch einem Hund helfen könnte, damit er es wieder gut hat. Aber Lena will das nicht hören. Es gibt für sie keinen anderen Hund als ihren Wuffi. „Und der wohnt ja jetzt im Himmel“, denkt sie.

[…]

Lena steht noch einen Moment an Candalas Haus und schaut auf die Wiese. Auf der anderen Seite sieht sie die Wohnanlage, in der sie mit ihrer Mama wohnt. Lena will heute endlich wieder den Weg durch die Wiese gehen und sie wird es jetzt tun, das weiß sie. Außerdem hat sie irgendwie das Gefühl, dass heute ein besonderer Tag in ihrem Leben ist. Sie weiß nicht, warum, es ist nur ein Gefühl, aber eigentlich ein gutes Gefühl. Lena atmet tief durch und nimmt ihren ganzen Mut zusammen. Und dann geht Lena ihren alten Weg durch die Wiese, wo sie immer mit Wuffi gegangen ist.

Während sie langsam geht, tauchen in ihr die alten Bilder auf, besonders die guten, aber auch das ganz schlimme. Lena geht weiter, ganz in ihre Gedanken versunken. Plötzlich bleibt sie stehen. Da war doch etwas. Von weiter hinten auf der Wiese hat sie etwas gehört. Jetzt ist es wieder still. Was war das? Da ist es wieder. Jetzt hört Lena es ganz deutlich. Es ist ein kleiner Hund, der jammert, heult und winselt. Lena denkt besorgt: „Was ist da passiert? Das hört sich nicht gut an.“ Ohne weiter zu überlegen, läuft sie auf die Wiese in die Richtung, wo das jämmerliche Winseln herkommt.

[…]

Seltsame Nachbarschaft

(Robinia Huth)

Seltsame Nachbarschaft: Eine spannende und humorvolle Geschichte über alte Konflikte, neue Freundschaft, Umweltbewusstsein und den Umgang mit Wut

[...]

Finn, Tabea, Alessandro und Debbie sind trotz ihres unterschiedlichen Alters alle vier sehr gut befreundet und machen viel zusammen. Wenn sie nicht in der Natur unterwegs sind, spielen sie am liebsten Fußball. Alle vier spielen richtig gut. Tabea und Debbie spielen sogar im Fußballverein und träumen davon, später mal Profi-Fußballerinnen zu werden. Aber wenn sie zu viert spielen, geht es nur um den Spaß. Im Garten von Finns Familie gibt es hinten noch eine Wiese, die nicht ganz so natürlich ist wie der Rest des Grundstücks. Hier stehen nämlich zwei kleine Fußballtore. So brauchen die Kinder nicht extra auf den Bolzplatz zu gehen, um Fußball zu spielen, und können sicher sein, dass der Platz ihnen ganz allein gehört. Nun ja, nicht ganz allein.

Es gibt in der ganzen Idylle nämlich ein Problem, und das wohnt nebenan. Im Reihenhaus rechts nebenan lebt ein sehr missmutiger Mann, der ganz andere Ansichten hat als Finns Familie, und der leider jede Gelegenheit nutzt, um sich über etwas zu beschweren. Der Mann ist wohl um die 50 oder 60 Jahre alt, aber man kann sein Alter nicht wirklich einschätzen, weil er immer so streng und verkniffen guckt. „Er könnte auch 80 oder noch älter sein“, hat Tabea einmal gemeint. Der Nachbar hat immer schlechte Laune, und zwar wirklich immer, ohne Ausnahme. Es gibt niemanden, der ihn mal lächeln gesehen hat oder mal ein freundliches Wort von ihm gehört hat. Er beobachtet außerdem vom Fenster aus alles, was auf der Straße und in den Nachbargärten passiert. Manchmal steht er auch mit verschränkten Armen und strengem, verächtlichem Blick am Gartenzaun oder im Vorgarten und schimpft. Zum Glück kann er durch die Büsche und Bäume im Garten der Familie nicht überall hingucken, aber ausgerechnet die kleine Fußballwiese ist ziemlich gut für ihn sichtbar. Tabea, Debbie und Alessandro amüsieren sich meist über diesen Nachbarn oder beachten ihn gar nicht. Doch wie sieht Finn das? Finn ärgert sich über diesen merkwürdigen Typen, aber richtig.

[…]

So ist es nämlich ein anderes Mal geschehen. Da ist der Nachbar wirklich den ganzen Nachmittag mit seinem lauten, stinkenden Gartentraktor auf und ab gefahren, bis die Kinder so genervt waren, dass sie lieber zum Bolzplatz gegangen sind. Tabea sagt nachdenklich: „Ich frage mich immer noch, ob er das wirklich gemacht hat, um uns zu vertreiben, oder ob er damit irgendwie seine schlechte Laune abbauen wollte. Aber er mäht ja auch sowieso andauernd den Rasen. Letzte Woche waren es vier Male, wenn ich nichts verpasst habe!“ Finn nickt ärgerlich: „Ja, sobald das Gras einen Millimeter gewachsen ist, mäht er es wieder ab. Und jede kleine Blume, die versucht, da zu wachsen, reißt er einfach raus. Und dann beschwert er sich noch andauernd, wenn von unseren Bäumen Blätter zu ihm fliegen oder wenn unsere Wildblumen sich bei ihm aussäen. Neulich wollte er uns sogar deswegen anzeigen! Nur, weil bei ihm ein Gänseblümchen gewachsen ist!“ Die anderen drei Kinder wissen nicht so recht, ob sie lachen oder doch eher weinen sollen. Der Nachbar ist wirklich merkwürdig, aber es ist auch sehr traurig, dass Menschen so sind.

[…]

Lukas steht jetzt im Garten von Finns Familie und sieht sich mit großen Augen um. Staunend meint er: „Wow, so einen schönen Garten habe ich noch nie gesehen! Vorher haben wir mitten in einer großen Stadt gewohnt, da gab es gar keine Natur und wir hatten auch keinen Garten. Unser Garten hier ist auch sehr schön, aber eurer ist echt der Hammer!“ Vor dem Fußballspielen schaut er sich erstmal alles an und kann sich gar nicht sattsehen. „Kann ich mal mit meinem Fotoapparat herkommen?“, fragt er hoffnungsvoll. Tabea nickt erfreut: „Ja, klar, gerne. Super, dass du auch die Natur liebst!“ Finn fügt an: „Dann haben wir jetzt Unterstützung.“ Lukas schaut die beiden Geschwister fragend an. Finn und Tabea deuten nur mit den Augen in Richtung des Nachbargartens rechts von ihnen. „Oha“, sagt Lukas, als er ihrem Blick folgt. „Das kannst du laut sagen“, meint Finn.

Aber jetzt wird Fußball gespielt. Lukas spielt auch richtig gut und die drei haben viel Spaß zusammen. Doch dann ertönt ein tosender Lärm. Tabea rollt mit den Augen: „Der mäht schon wieder seinen Rasen!“ Finn ist verärgert: „Das macht er mit Absicht, um uns zu nerven und uns den Spaß zu verderben.“ Lukas guckt besorgt: „Ist das immer so?“ Die Geschwister nicken mit bedrückten Gesichtern. Dann sagt Finn wütend: „Der Kerl ist einfach unmöglich! Das ist nicht zum Aushalten!“ Dabei kickt er mit Wucht den Fußball in Richtung eines Tores. Doch der Ball trifft das Tor nicht, sondern geht hoch und weit drüber hinweg. Erschrocken verfolgen alle mit den Augen den Ball in der Luft. Er fliegt und er fliegt, dann senkt er sich, aber viel zu spät. „Mist!“, ruft Tabea.

Der Ball ist in den Nachbargarten geflogen. Doch nicht nur das, er hat dabei auch noch einen Gartenzwerg erwischt. Der Zwerg liegt jetzt bäuchlings auf dem Rasen, und neben ihm liegt der Ball. Der Nachbar fährt immer noch mit seinem Gartentraktor auf und ab. Er hat bei seinem eigenen Lärm anscheinend nicht mitbekommen, was passiert ist.

[…]

Jetzt hört der Lärm des Gartentraktors auf. Stattdessen hört man nun lautes Fluchen: „Ihr! Ihr da! Das ist doch wohl! Wie könnt ihr! Wie könnt ihr es wagen!“ Der Nachbar springt wutentbrannt von seinem Mähtrecker und läuft zu der Stelle, wo der umgekippte Gartenzwerg und der Fußball liegen. Finn, Tabea und Lukas bleiben wie erstarrt stehen. Allen dreien ist das Herz in die Hose gerutscht. Was kommt jetzt? Die drei Kinder trauen ihren Augen kaum.

Der Nachbar kniet sich zu seinem verunglückten Gartenzwerg, streichelt ihn und richtet ihn behutsam wieder auf. Dabei murmelt er mit weinerlicher Stimme: „Herbert, mein lieber Herbert, wie konnten diese bösen Kinder dir so etwas antun, mein armer Herbert!“ Die drei Kinder starren sich schockiert an. Lukas sagt leise: „Er weint ja wirklich!“ Jetzt sehen es auch Finn und Tabea. Dem Nachbarn laufen Tränen über sein sonst so strenges Gesicht. Er kniet noch immer bei dem Gartenzwerg und hält ihn in den Armen, als ob er ihn trösten will.

[…]

Robin ist nicht nur ein Träumer

(Fee Walden)

Robin ist nicht nur ein Träumer: Eine abenteuerliche Geschichte über einen verträumten jungen Erfinder, der tatkräftig hilft

[...]

Robin träumt nämlich davon, etwas wirklich Wichtiges für die Welt zu tun. Er träumt es in der Nacht, wenn er schläft, aber er träumt es auch am Tag, wenn er wach ist. Dann sieht er die Dinge, die er tun will, wie in einem Kinofilm vor seinen Augen und ihm kommen viele Ideen, was man in der Welt besser machen kann und was er dafür tun kann. Robin hat ganz viele verschiedene Ideen auf einmal und er schreibt seine Gedanken auch auf oder zeichnet sie. Er hat schon mehrere Collegeblöcke voller Notizen und Zeichnungen. Natürlich denkt Robin darüber nach, wie er den Menschen in der ganzen Welt helfen kann, damit es allen wirklich gutgeht. Er weiß, dass sehr viele Menschen nichts zu essen und nicht mal sauberes Wasser haben. Es gibt ja auch so viele Krankheiten. Robin träumt davon, ein Medikament zu erfinden, das problemlos verträglich ist und das dafür sorgt, dass niemand mehr krank ist. Und er träumt auch davon, wie seine Eltern die Natur zu retten. Robin weiß, dass sich dazu viele Dinge ändern müssen, vor allem die Menschen.

[…]

Aber auch in der Schule versinkt Robin in seinen Träumen. Dann bekommt er nicht einmal mit, wenn seine Lehrer ihn etwas fragen. Das findet er selbst ein bisschen peinlich, aber keiner in der Klasse lacht, wenn Robin mal wieder aus seinen Träumen und Gedanken hochschreckt. Die Lehrer haben es aufgegeben, ihn zu ermahnen. Das müssen sie aber auch gar nicht, denn Robin weiß trotzdem immer die richtige Antwort. Auch wenn er eigentlich gar nicht zugehört hat, fällt ihm die Frage des Lehrers wieder ein. Die Lehrer schütteln alle den Kopf über ihn. Wieso weiß Robin immer alles, obwohl er gar nicht richtig aufpasst? Robins Schulnoten sind so gut, dass ihm schon in der zweiten Klasse vorgeschlagen wurde, eine Klasse zu überspringen. Aber Robin hat das abgelehnt. Er wollte lieber mit Julia und seinen anderen Freunden in einer Klasse bleiben. Er hat gesagt: „Ich möchte lieber den anderen in der Klasse helfen und ihnen Nachhilfe geben.“ Und das macht Robin auch noch ab und zu, wenn jemand nicht weiterkommt.

[…]

Das Problem ist genau vor der Schule. Dort müssen die meisten Schüler nämlich eine Straße überqueren, um in die Schule zu kommen. Genau an dieser Stelle müsste eigentlich eine Ampel stehen, aber es gibt keine. Es gibt nicht einmal Tempo 30 vor der Schule. Es ist eine ziemlich breite Straße und die Autos fahren schnell und bremsen nicht ab. Das ist wirklich gefährlich für die Schüler. Es gibt zwar einen Zebrastreifen, aber die Streifen sind nicht mal mehr zu erkennen. Die Schüler, die die Straße überqueren wollen, müssen oft lange warten, bis es eine Lücke zwischen den Autos gibt oder doch mal jemand hält. Außerdem gibt es vor der Schule auf dem Bürgersteig noch große Schlaglöcher, besonders auch auf dem Radweg. Manchmal ist da schon ein Schüler oder auch ein Lehrer gestürzt und hat sich verletzt. Und es gibt noch mehr Dinge an der Schule, die nicht in Ordnung sind. Die Schultoiletten sind ziemlich kaputt, auf dem Schulhof sind überhaupt keine Bäume oder anderen Pflanzen, der Sportplatz und die Turnhalle sind auch in schlechtem Zustand.

Die Stadt müsste das alles in Ordnung bringen, aber sie tut es einfach nicht. Die Lehrer, besonders der Schulleiter, und die Eltern haben schon alles versucht, haben Briefe an die Stadtverwaltung geschrieben und sogar Unterschriften gesammelt, damit alles in Ordnung gebracht wird. Besonders wichtig ist ja die Ampel für die Schüler. Alle sind ziemlich wütend, aber die Stadt will einfach nichts unternehmen. Robin ärgert das auch sehr. Aber was soll er tun? Er geht erst in die vierte Klasse. Es scheint aussichtslos zu sein.

[…]

Julia ist ja sehr sportlich. Also gibt sie alles, um noch rechtzeitig in der Schule zu sein. Nun kommt sie an der Stelle an, wo sie über die Straße muss, und das wie immer ohne Ampel. Sie muss abstoppen und auf eine Lücke im Straßenverkehr warten, die groß genug ist, damit sie die Straße überqueren kann. Endlich! Julia hört schon die Schulklingel und läuft schnell über die Straße.

Eigentlich war die Straße frei. Aber plötzlich ist da ein viel zu schnelles Riesenauto und hupt auch noch wie wild. Julia kann sich gerade noch mit einem Sprung auf den Bürgersteig retten. Dabei landet sie mit einem Fuß genau in einem der Schlaglöcher. Julia kann sich nicht mehr halten und fällt hin. Schnell steht sie wieder auf. Das hupende Riesenauto ist einfach weitergefahren. Immerhin hat Julia sich aber noch einen Teil des Autokennzeichens gemerkt. Doch was hilft das? Niemand hat das alles gesehen und miterlebt. Julia ist so wütend, dass sie den Schmerz in ihrem linken Knie zuerst gar nicht spürt. Nun merkt sie ihn doch. Und dann wird sie noch wütender und auch traurig. Ihr Knie tut weh und blutet auch. Aber viel schlimmer für Julia ist, dass ihre schöne neue Jeans, die sie so liebt, am Knie aufgerissen ist.

[…]

Das war das Stichwort für Robin. Nun ist er wieder in der Wirklichkeit. Er schaut auf Julias verletztes Knie und ihre kaputte Hose. Unvermittelt fragt er: „Kannst du das Auto beschreiben? Hast du das Kennzeichen gesehen?“ Julia schaut Robin an: „Ja, einen Teil vom Kennzeichen habe ich mir gemerkt.“ Dann beschreibt sie das Riesenauto. Robin sagt fachkundig: „Ich kenne hier kaum solche Autos, eigentlich nur eines. Kannst du schon wieder ohne große Schmerzen ein Stück gehen, Julia? Wir haben heute Nachmittag noch etwas vor!“ Doch, Julia kann schon wieder ganz gut gehen. Sie fragt gespannt: „Was haben wir vor?“ Robin antwortet lächelnd: „Lass dich überraschen, du wirst schon sehen. Aber wir brauchen etwas Mut dafür!“ Das muss man Julia nicht zweimal sagen. Julias zweiter Vorname ist Mut. Also, jedenfalls könnte er es sein. Robin grinst über seinen Plan. „Wenn das klappt“, denkt er, „kriegen wir vielleicht doch noch eine Ampel.“

[…]

Vier Freunde und ein Plan

(Robinia Huth)

Vier Freunde und ein Plan: Eine aufregende und gefühlvolle Geschichte über eine unzertrennliche Freundschaft und eine große Herausforderung

[…]

Sophias drei beste Freunde sind Jungen. Sie heißen Björn, Sebastian und Pedro. Björn und Pedro sind genau wie Sophia zehn Jahre alt. Sebastian, der von allen nur Basti genannt wird, ist schon elf. Alle vier gehen zusammen in die fünfte Klasse der Gesamtschule des Stadtteils. Sophia und Björn kennen sich schon, seit sie ganz klein waren. Basti und Pedro kennen die beiden seit der ersten Klasse.

[...]

Auch Basti und Pedro haben schnell gemerkt, dass Sophia einfach ein guter Kumpel ist, mit dem man viel Spaß haben kann und auf den immer Verlass ist. So sind die vier Freunde über die Jahre unzertrennlich geworden. Bei den meisten anderen Jungen und Mädchen stoßen die vier dafür auf Unverständnis und manche lachen sie sogar aus oder beleidigen sie. Aber davon lassen sich die Freunde nicht verunsichern. „Wir halten immer zusammen!“, haben sich die vier geschworen.

[…]

Mama holt tief Luft und erzählt: „In dem Dorf, wo deine Oma und dein Opa wohnen, macht bald die Tierarztpraxis zu. Der Tierarzt ist zu alt und kann nicht mehr arbeiten. Es geht ihm gesundheitlich nicht gut. Und es findet sich niemand, der die Praxis übernehmen kann.“ Sophia ahnt, was jetzt kommt, und bekommt ein flaues Gefühl im Magen. Mama erklärt: „Oma und Opa haben uns gefragt, ob wir nicht die Praxis übernehmen können. Wir müssten dann natürlich dorthin ziehen, oder jedenfalls ganz in die Nähe. Das Dorf ist ja sehr weit weg von hier.“ Mama sieht Sophias entsetzten Blick und kann nicht mehr weiterreden. Papa spricht für sie weiter: „Sophia, wir wissen, wie schlimm das für dich wäre. Deswegen haben wir auch noch nicht zugesagt. Und deswegen sind wir auch die ganze Zeit so bedrückt. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Unsere Hilfe wird dort gebraucht, aber wir wollen nicht, dass du traurig bist, weil du dann nicht mehr mit deinen Freunden zusammen sein könntest.“

[…]

Mit Björn, Basti und Pedro hat Sophia natürlich auch schon längst darüber gesprochen. Die drei waren entsetzt und haben wie aus einem Munde gesagt: „Du darfst auf keinen Fall hier wegziehen! Wir wollen doch immer zusammenbleiben!“ Björn hat sogar ein bisschen geweint. Für ihn wäre es noch schlimmer als für die anderen beiden Jungen, wenn Sophia wegziehen würde, weil sie ja seine allerbeste Freundin seit frühester Kindheit ist. Sophia hat versucht, sich und ihre Freunde zu trösten: „Selbst wenn ich wegziehen muss, sind wir trotzdem für immer die besten Freunde. Uns kann nichts trennen, nicht mal ein Ozean!“ Ganz geglaubt hat sie sich das selbst nicht. Pedro hat gemeint: „Klar, beste Freunde bleiben wir auf jeden Fall. Aber es ist nicht dasselbe, wenn wir uns nur in den Ferien manchmal sehen können.“ Sophia hat geantwortet: „Für mich ist es am schlimmsten, ich bin da dann ganz allein. Ihr habt doch noch euch!“ Basti hat den Kopf geschüttelt: „Ohne dich ist es nicht dasselbe. Du gehörst einfach dazu!“

[…]

Am Freitag, dem letzten Tag vor dem Umzug, wollen die vier Freunde nochmal zusammen Fußball im Park spielen. Es ist ein schöner Frühlingstag, die Sonne scheint vom blauen Himmel. Aber es will keine gute Stimmung mehr aufkommen. Björn kickt den Ball weg und ruft: „Ist doch eh alles Scheiße! Ich hab keine Lust mehr zu spielen.“ Traurig setzt er sich auf den Rasen. Sophia, Basti und Pedro setzen sich zu ihm. Keiner sagt etwas. Alle starren nur trübsinnig vor sich hin. Schließlich meint Sophia: „Schade, ich habe gehofft, wir haben noch einen schönen Nachmittag zusammen.“ Nun wird Björn wütend: „Du haust doch ab und lässt uns im Stich! Du hättest einfach Nein sagen können! Deine Eltern haben dich gefragt und du hast einfach Ja gesagt!“

[…]

„Endlich kann ich mal richtig atmen“, meint Björn. Pedro nickt: „Ja, die Luft hier ist viel klarer als in der Stadt.“ Und Basti fügt an: „Ich fühle mich irgendwie auch viel besser, als hätte ich viel mehr Energie.“ Sophia sieht ihre Freunde nachdenklich an. Dann spricht Björn das aus, was sie denkt: „Eigentlich hast du es echt gut, dass du jetzt hier wohnen kannst.“ Basti und Pedro nicken. Sophia schaut über den See, der in der Sonne glitzert. „Ja, schon“, sagt sie leise, „aber ich würde das alles eintauschen, um wieder jeden Tag mit euch zusammen zu sein.“ Die drei Jungen sagen nichts. Sie schauen genau wie Sophia über das Wasser.

Eine Weile sitzen die vier so da, hinter ihnen eine Gruppe von Bäumen und blühende Felder, vor ihnen der ruhige, klare See. Plötzlich sagt Björn: „Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, dass wir uns wieder jeden Tag sehen und dass du hierbleiben kannst.“

[…]

Maximilian ist nicht länger allein

(Fee Walden)

Maximilian ist nicht länger allein: Eine einfühlsame Geschichte über einen Jungen, der scheinbar alles hat, aber sich nichts mehr wünscht als Menschen, die ihn lieben

[…]

Maximilian ist zehn Jahre alt und hat sehr reiche Eltern. Geschwister hat er nicht. Die Familie wohnt in einem sehr großen alten Haus, einer Villa mit vielen Zimmern am Rand der Stadt. Zu der Villa gehört ein riesengroßer Garten mit einem Swimmingpool. Außerdem hat die Familie zwei Luxusautos. Haustiere gibt es nicht, obwohl dafür viel Platz wäre. Maximilian ist meistens allein zu Hause, weil seine Eltern wegen ihrer Arbeit keine Zeit für ihn haben. Aber er hat ein Zimmer voller Spielsachen, Bücher, CDs und sogar eine richtig gute Gitarre. Täglich kommen neue Sachen dazu, obwohl Maximilian sich diese gar nicht wünscht. Das ganze Geld und den ganzen Luxus will Maximilian nämlich gar nicht. Viel lieber wäre es ihm, wenn seine Eltern mal Zeit für ihn hätten und die Familie zusammen etwas Schönes unternehmen würde. Aber darauf hofft er seit Jahren umsonst. Es wird sogar immer schlimmer, je älter er wird.

Beim Frühstück sieht er das Gesicht seines Vaters nicht, weil dieser in den Wirtschaftsteil der Zeitung vertieft ist. Seine Mutter sieht er zu dieser Zeit auch nicht, weil sie lieber vor dem Spiegel steht, als am Frühstückstisch zu sitzen. Manchmal muss Maximilian sogar ganz allein frühstücken. Dann liegt oft ein großer Geldschein zum Trost für ihn auf dem Tisch. Daneben liegt ein Zettel: „Mach dir einen schönen Tag. Kauf dir etwas Schönes.“ Das macht Maximilian noch trauriger. Denn auch mittags und nachmittags ist er allein, und oft auch abends. Manchmal ist er sogar am Wochenende allein.

[...]

Heute ist mal wieder so ein typischer Schultag in Maximilians Leben. Auf dem Schulhof ist er mal wieder allein. Im Hintergrund hört er, wie seine Mitschüler über ihn reden: „Ach, wie toll er heute wieder aussieht, der Angeber. Und eine Eins in Mathe hat er natürlich auch wieder geschrieben. Und in Musik durfte er sogar Gitarre spielen. Ach, wie toll er das doch kann, der Maximilian. Er ist einfach der Größte. Sag mal, hat er schon wieder ein neues T-Shirt?“ Maximilian hört weg, obwohl die anderen so laut reden, dass er alles deutlich hören kann. Das machen sie mit Absicht. Ihr Neid kennt wirklich keine Grenzen. Dabei hat Maximilian nur ganz einfache Sachen an, wie alle anderen. Seine Eltern sehen ja nicht, was er anzieht, wenn er zur Schule geht.

[...]

Diesmal atmet Maximilian tief durch und geht mutig zu seinen Mitschülern. Er sagt zu ihnen: „Ihr könnt gern mal mit zu mir nach Hause kommen, damit ihr seht, was wirklich bei uns los ist. Ich glaube, dann beneidet ihr mich nicht mehr!“ Ein Junge antwortet dreist und grinsend: „Wir sollen nur zu dir nach Hause kommen, damit du noch mehr angeben kannst mit deinen Sachen. Und dann willst du wohl auch noch zu uns nach Hause kommen, damit du so richtig ablästern kannst darüber, wie wir wohnen!“ Maximilian schüttelt den Kopf: „Ich lache nie über jemanden. Manchmal beneide ich euch auch. Meine Eltern haben nämlich nie Zeit für mich und ich bin immer allein zu Hause. Wenn ihr nach Hause kommt, ist da jemand oder es kommt bald jemand. Ihr habt Eltern, die sich für euch interessieren, und ihr habt Geschwister, Freunde und Haustiere. Im Grunde bin ich der Ärmste in der Klasse!“ Aber die anderen lachen Maximilian nur aus.

Alle anderen lachen, nur einer lacht nicht mit und schaut Maximilian beeindruckt an. Es ist Ernesto, der seit ein paar Monaten neu in der Klasse ist. Ernesto hat sich bisher immer dabei herausgehalten, wenn die anderen über Maximilian gelästert haben. Aber er ist auch nicht zu Maximilian gegangen, bis jetzt.

[…]

Träume, Geheimnisse und gute Musik

(Robinia Huth)

Träume, Geheimnisse und gute Musik: Eine mitreißende und humorvolle Geschichte über drei selbstbewusste Kinder, die ihren Traum leben

[...]

Juli und Jan haben schon vor zwei Jahren einen Entschluss gefasst, von dem ihre Eltern nichts wissen. Sie wollen nämlich die Musik zu ihrem Beruf machen. Deshalb üben sie auch so fleißig. Sie wollen möglichst bald eine eigene Rockband haben, auf der Bühne stehen und CDs veröffentlichen. Das ist ihr großer Traum und sie haben sich fest vorgenommen, das auf jeden Fall zu schaffen. Nur eines macht ihnen Sorgen. Wo bekommen sie einen Drummer her? Zu jeder Rockband gehört ja ein Drummer, aber die Geschwister kennen niemanden, der Schlagzeug spielen kann. Auch, dass ihre Eltern ihre Idee nicht gut finden könnten, macht sie ein wenig besorgt. „Aber sie können es uns ja nicht verbieten“, hat Juli neulich zu Jan gesagt. Jan hat zweifelnd geguckt: „Wir sind noch nicht volljährig und bis es so weit ist, können sie über uns entscheiden.“ Schon länger überlegen die beiden, ob sie vielleicht doch mit ihren Eltern über ihren großen Traum sprechen sollten, aber sie können sich einfach nicht dazu durchringen. „Das gibt bestimmt einen riesigen Streit und vielleicht dürfen wir dann gar keine Musik mehr machen“, hat Jan gemeint. Also bewahren die beiden Musiker-Geschwister weiterhin ihr Geheimnis.

[...]

Juli holt tief Luft und sortiert die Worte in ihrem Kopf, bevor sie spricht. Dann sagt sie so selbstbewusst wie möglich: „Ihr wisst ja, dass Jan und ich die Musik wirklich sehr lieben. Und ihr habt ja bestimmt auch schon mitbekommen, dass wir nicht einfach nur aus Spaß üben, sondern richtig gut sein wollen und die Musik ernst nehmen.“ Mama und Papa nicken. Sie sehen jetzt genauso gespannt aus wie Bello. Juli holt nochmal ganz tief Luft und spricht weiter: „Die Musik ist mehr für uns als ein Hobby. Wir wollen eine Band gründen, eine richtige Rockband.“

[...]

Mama und Papa schauen sich an. Papa sieht immer noch wütend aus, aber Mama meint: „Okay, dann versucht das. Es ist ja auch ganz gut, wenn ihr das schon mal während der Schulzeit ausprobiert. Dann könnt ihr schon mal sehen, wie alles läuft.“ Noch bevor jemand etwas darauf sagen kann, lenkt sie von dem Streit ab: „Aber wo bekommt ihr einen Schlagzeuger her? Eine Band braucht doch ein Schlagzeug.“ Juli und Jan sind erleichtert, dass sich die Stimmung nun wirklich entspannt. Bello kommt unter Jans Stuhl hervor und sagt: „Wau!“ Juli muss lachen: „Nein, Bello, du kannst leider nicht bei uns Schlagzeug spielen.“ Jan meint: „Wir finden schon jemanden. Und bis dahin sind wir eben einfach ein Singer-Songwriter-Duo. Das geht ja auch erstmal.“ Papa sieht immer noch nicht glücklich aus, aber er sagt nichts mehr.

Es ist wieder Frieden eingekehrt. In den nächsten Tagen nehmen Juli und Jan einige ihrer Songs auf und stellen sie ins Internet. Ein paar Tage später zeigen sie ihren Eltern triumphierend, wie viele Leute sich die Songs schon angehört haben und sie gut finden. Mama freut sich, und ihre Freude wirkt sogar ehrlich. Papa guckt nur komisch, irgendwie nicht ärgerlich, aber auch nicht erfreut, eher etwas bedrückt. „Komisch“, denkt Juli, „was hat er bloß?“ Auch Jan bemerkt Papas seltsamen Gesichtsausdruck, aber er denkt: „Das kommt daher, dass Papa immer noch gegen unseren großen Traum ist.“

Deshalb sagt er später zu Juli: „Ich habe eine Idee, wie wir Papa vielleicht überzeugen können. Wir veranstalten hier in der Stadt irgendwo ein kleines Konzert, am besten zum Beginn der Sommerferien und mit kostenlosem Eintritt. Wenn wir das gut machen und dann ganz viele Zuschauer kommen, sieht Papa, dass wir es schaffen können, und ist dann vielleicht auf unserer Seite.“ Juli nickt: „Ja, das wäre schön. Ich möchte auch, dass Mama und Papa zu uns halten und uns verstehen.“ Nachdenklich fügt sie an: „Aber es sind nur noch zweieinhalb Monate bis zu den Sommerferien. Wie sollen wir das so schnell organisieren? Wir haben ja noch nicht mal einen Drummer. Nur zu zweit und ohne Schlagzeug aufzutreten, würde ich nicht so schön finden.“

[…]

Da fällt Juli etwas ein: „Du, das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Ich gehe ja dienstags immer zum Schwimmen und da muss ich ja an der Gesamtschule vorbei. Seit ein paar Wochen höre ich da immer, wenn ich nach dem Schwimmen nach Hause gehe, jemanden Schlagzeug üben. Es hört sich ziemlich gut an. Wer das ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben die ja eine AG oder es ist ein Musiklehrer, der sich da austobt. Mir wäre es auch egal, wenn es ein Lehrer wäre. Hauptsache, wir finden einen Drummer!“ Jan sagt zweifelnd: „Und wie sollen wir mit diesem Jemand in Kontakt kommen?“ Juli antwortet: „Ist doch ganz einfach. Nächsten Dienstag nach dem Schwimmen warte ich einfach vor der Schule, bis dieser Schlagzeug spielende Jemand herauskommt, und überzeuge ihn oder sie, mit uns eine Band zu gründen.“ „Klar“, grinst Jan, „ganz einfach!“ Juli lacht.

Und so geschieht es am nächsten Dienstag. Als Juli nach dem Schwimmen an der Gesamtschule vorbeikommt, hört sie wieder die Drums. Sie setzt sich vor dem Eingang auf einen Fahrradständer und wartet. Der Jemand, der da spielt, ist wirklich gut. „Wow“, denkt Juli, „diese Person muss unbedingt in unsere Band kommen!“ Dann hören die Drums auf. Juli ist gespannt.

[...]